Die Wiesen sind gemäht und alles ist etwas kahler. Die Blätter sind noch grün und die Blüten geöffnet, aber der überschwängliche Juli ist weg. Die Frische des Sommers weicht der Gewöhnung an ihn. Die Zeit wird wieder lesbar in der Landschaft. Wir gehen baden in einem kleinen Bach mitten in der Stadt. Die Leute schauen uns an dabei, manche froh, manche griesgrämig, manche gleichgültig. Am Boden des Bachs liegen Scherben, Messer und alte Vapes. Ich muss auf meine Füße aufpassen. Wer sich zu weit treiben lässt kommt nicht mehr raus. So sind schon viele verloren gegangen. Denn der Rest des Bachs ist umzäunt und fließt zwischen Privatgrundstücken hindurch und wo er dann hingeht weiß niemand so genau. Manchmal hat jemand den Plan nachzusehen, gierig danach sich doch noch weiter treiben zu lassen als zur gewohnten Stelle, aber nie findet sich die Zeit dafür. Wer gut schwimmt, kann noch etwas weiter und dann wieder zurück, gegen die Strömung, aber hinter dem Ausstieg gibt es keine Äste oder Pfähle an denen man sich noch halten könnte. Deshalb gehen wir raus, denn für so ein Wagnis ist der Sommer nicht mehr ewig genug.
Als wir nochmal reingehen fliegen blaue Libellen mit schwarzen Flügeln um uns herum. Gerade als ich dir sage, dass eine auf deinem Kopf gelandet ist fliegt sie auf meinen. Gleich müssen wir uns wieder an der Leiter festhalten um nicht weiter von der Strömung mitgezogen zu werden, zwischen den Gärten der anderen Leute hindurch ins Unbekannte. Was diese anderen Leute in ihren Gärten machen halten sie gerne geheim, auch wenn es noch so fade ist. Mähen, Schneiden, Grillen, Spielen. Vielleicht gibt es welche, die Sachen machen, die es wert sind geheim gehalten zu werden. Vielleicht rollen sie sich in Schlamm, Käfern und Würmern und werden so unbekümmert dreckig wie Fische, die mit ihren glitschigen Schuppen durch Algen gleiten. Und vielleicht lecken sie sich danach mit ihren Zungen wieder sauber, ziehen sich an und schauen uns beim Baden zu.
Gleich machen wir alles nochmal. In der Wiederholung liegen Spaß und Qual nahe beinander. Davor müssen wir kurz in der Sonne trocknen und eine Zigarette rauchen. Das kalte Wasser lässt mich jedes Mal schneller atmen. Ich kann nicht springen weil ich sonst meine Brille verlieren würde. Im Wasser denke ich an alle Flusstage die ich in jener Zeit, die plötzlich wieder so greifbar ist, hatte. Als wäre er ein Ort an dem so etwas unzulässig ist, haben wir uns für schlimme Sachen nie am Fluss getroffen. Wahrscheinlich weil dann die Gefahr zu groß ist, dass sich wieder jemand einfach weitertreiben lässt und zwischen den Grundstücken der anderen Leute verschwindet. Der Fluss war für uns seit jeher ein Ort für Vergnügliches. Zum Musik machen, Wein trinken, sich zum ersten Mal berühren. In meiner Erinnerung gibt es keine Mücken oder Erde zwischen den Zehen, die dann im Socken landet.
Nein um Schlechtes zu bereden waren wir, unterbewusst, meist in der Nähe von Kirchen gewesen. Dort waren wir alleine; ihre kleinen Gärten boten mehr Schutz als die Strömung der Flüsse. Wir gingen schweigend über die Pfade zwischen Rosenbüschen, Kruzifixen und Kriegsdenkmälern bis wir eine Bank fanden, die uns als passend erschien. Es war natürlich auch vor einer Kirche als wir entschieden uns nie wieder zu sehen, was dann nicht ganz funktionierte.
Wie die Frösche im Teich, die sich erschrecken einen Menschen zu sehen springen alle in den Bach, von beiden Seiten platscht es. Ich halte mich an Füßen fest, aber die Strömung ist zu stark. Trotzdem bin ich heute nicht in Gefahr zu weit zu treiben. Die Leiter ist noch greifbar. Am Ufer schreien die Saatkrähen die Nebelkrähen an. Das Gras ist warm und vertrocknet.